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Die Grundrechte


Letzte redaktionelle Bearbeitung :   09.10.1999
Stand der inhaltlichen Bearbeitung :   September 1995
Quelle :   AmigaGadget#21

Immer wieder erhitzen sie die Gemüter der Bevölkerung, sei es bei umstrittenen Grundgesetzänderungen - wie bei der Neuregelung des Asylrechts - oder bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes - vom Urteil zum § 218 StGB bis hin zum sogenannten "Kruzifixurteil". Und immer häufiger berufen sich Bundesbürger auf sie, wenn sie sich durch die Gerichte und die Verwaltung ungerecht behandelt fühlen - die Grundrechte. Anders als andere Rechte und Berechtigungen werden die Grundrechte als etwas Unverletzliches verstanden, das jedem Menschen von Geburt aus anhaftet und das für den Staat tabu ist. In der Realität verbergen sich hinter den Grundrechten eine gewaltige Judikatur und teilweise heftige, auch ideologisch geführte, Diskussionen. Im Rahmen dieses kurzen Textes kann im Vergleich dazu natürlich nur recht grob und oberflächlich auf die Grundrechte eingegangen werden.


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I. Die Geschichte der Grundrechte

Der Begriff der Grundrechte fordert aus sich heraus bereits, daß sie als Grundlage jedem Menschen mitgegeben sind - ein Grund dafür, daß man keine Überlegungen zu Grundrechten im engeren Sinne bei den stets immer auch naturgegebene Unterschiede zwischen den Menschen (sei es Grieche <-> Barbar, Herr <-> Sklave oder Patrizier <-> Plebejer) vermutenden Denkern und Philosophen der griechischen und römischen Antike findet. Doch bereits hier machte man sich Gedanken über eine Ordnung, die der staatlichen Ordnung vorgeht, die nicht zur Disposition einer weltlichen Macht steht. Solche Überlegungen zu einem Naturrecht wurden unter anderem von einigen Sophisten (5. Jh. v. Chr.) angestellt. Auch Plato forderte eine Beschränkung staatlicher Machtausübung - sie müsse den Geboten der Sittlichkeit und der Vernunft gehorchen - und Aristoteles sah das Ziel des Staates im Schutz von "Leben und Gut seiner Bürger" und in der Förderung ihrer "natürlichen Anlagen". Noch weiter ging die philosophische Schule der Stoa (3. Jh. v. Chr.), deren Ideen von römischen Philosophen weiterentwickelt wurden. So stellte Cicero die Behauptung auf, "rechte Vernunft, die mit der Natur übereinstimmt" sei für alle Völker für alle Zeiten das oberste, von Gott abgeleitete Gesetz. Alles in allem wurden somit in der Antike bereits zahlreiche Grundlagen für eine Philosophie der Grundrechte gelegt, die Lehren vom Naturrecht blieben jedoch zumeist rein akademischer Natur und hatten kaum Auswirkungen auf das politische Leben der Bevölkerung.

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Ähnlich zwiespältig entwickelten sich die Vorläufer der Grundrechte im christlichen Mittelalter. Während in der Praxis der Absolutheitsanspruch des Christentums der Verfolgung von Nichtchristen Tür und Tor öffnete und die gesellschaftliche Entwicklung eher zu (sich voneinander sehr stark unterscheidenden) ständischen Rechten denn zu Rechten des einzelnen Individuums verlief, tat sich in der theoretischen Begründung überpositiver Rechte des Menschen einiges. Selbst ein die Herrschaft weltlicher und geistlicher Fürsten stützender Philosoph wie Thomas von Aquin stellte Mindestanforderungen an diese Herrschaft, die gerecht sein und die Freiheit des Lebens, der Person und des Eigentums respektieren müsse. Noch weitergehend formulierten Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham die Naturrechte, die immer mehr als ein für den Souverän und den Staat unantastbarer Rückzugsbereich des Individuums verstanden wurden.

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Konsequent in politische Forderungen umgesetzt wurden diese Ideen jedoch erst durch die Werke von John Locke, Jean-Jacques Rousseau und Charles Montesquieu. Dies führte zu zwei unterschiedlichen Entwicklungen - einmal entwickelte sich der monarchistische Staat hin zum aufgeklärt-absolutistischen, der von sich aus den Bürgern gewisse Freiheiten zugestand und zum anderen kam es zu den ersten Kodifikationen der nun auch so bezeichneten "Grundrechte" (der Begriff "les droits fondamentaux" entstand um 1770). Die erste umfassende verfassungsmäßige Kodifikation fand im Jahre 1776 in der "Bill of Rights" von Virginia statt, nachdem die Gründungsväter der Vereinigten Staaten sich bereits in der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 zu unveräußerlichen Menschenrechten bekannt hatten:

        Daß alle Menschen von Natur aus gleich, frei und unabhängig sind und
        bestimmte angeborene Rechte besitzen, ... nämlich das Recht auf den
        Genuß des Lebens und der Freiheit, auf die Mittel zum Erwerb und
        Besitz von Eigentum, das Streben nach Glück und Sicherheit und das
        Erlangen beider.
       
-- Art. I der Viriginia Bill of Rights

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Die erste Verfassung im modernen Sinn entstand dann im selben Jahr in Pennsylvania - im ersten Abschnitt wurden die Grundrechte niedergelegt, im zweiten der Staatsaufbau beschrieben. Die Verfassung der Vereinigten Staaten erhielt ihre Grundrechtsdeklaration in den 1791 erlassenen ersten zehn Verfassungszusätzen (Amendments).

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Auf dem europäischen Kontinent kam es im Jahr 1789 zur ersten bedeutsamen schriftlichen Niederlegung von Grundrechten. In der "déclaration des droits de l'homme et du citoyen" wurden bereits die wichtigsten Grundrechtssätze formuliert, so u. a. die Gleichheit der Menschen vor Gesetz und Recht, die Freiheit zur politischen Betätigung, die allgemeine Handlungsfreiheit, Religions- und Pressefreiheit und erste Rechtsschutzfreiheiten. Aber genau wie in den USA, wo sich der "pursuit of happiness" auch in erster Linie auf den Erwerb von Eigentum bezog, war der eigentliche Anlaß für die Grundrechtskodifikation in Frankreich das erwachte Bewußtsein einer aufstrebenden wirtschaftlichen Mittel- und Oberschicht, die sich in ihrer ökonomischen Dynamik unter der Kuratel eines absolutistischen Herrschers bedroht fühlte.

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In Deutschland verlief die Entwicklung langsamer. Obwohl oder vielleicht auch gerade weil unter anderem die Deutschen Christian Wolff und Immanuel Kant nicht unerheblich an der Begründung individueller Rechte des Menschen aufgrund seiner Vernunft mitgewirkt hatten, blieben diese Rechte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein in der politischen Praxis nur der Ausfluß der Souveränität des Staatsoberhauptes, welches seinen Untertanen aus freiem Willen gewisse Freiheiten einräumte. Deutlich wurde das unter anderem in den Verfassungen süddeutscher Staaten (Bayern, Württemberg und Baden), die in der Zeit zwischen 1815 und 1820 erlassen wurden und in denen dem Monarchen zur Aufgabe gemacht wurde, gewisse Freiheiten zu achten, seinem Zugriff entzogen waren sie jedoch nicht.

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Umfangreich kodifiziert wurden die Grundrechte in der Frankfurter Paulskirchenverfassung der Jahre 1848/49. Doch durch die fehlende politische Durchsetzungskraft der Paulskirchenversammlungsbeschlüsse, die dann auch im Jahre 1851 der einsetzenden Restauration zum Opfer fielen, traten diese Grundrechte nur in wenigen deutschen Staaten in Kraft und auch dort nur mit begrenzter Wirkung. Diese schwache Wirkungskraft der Grundrechte im Deutschland des 19. Jahrhunderts setzte sich auch in der Preussischen Verfassung von 1850 fort, die zwar zahlreiche Grundrechte enthielt, die jedoch auch bestimmte, daß Erwerb, Ausübung und Verlust dieser Grundrechte durch Verfassung und Gesetz frei geregelt werden konnten. Bezeichnend auch, daß die Reichsverfassung von 1871 eigentlich keinen Grundrechtekatalog enthielt. Lediglich die Niederlassungs- und Gewerbefreiheit wurden garantiert, wie überhaupt die ganze politische und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland zu dieser Zeit primär vom einsetzenden Wirtschaftsaufschwung und der Bildung eines Besitzbürgertums bestimmt war.

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Eine neue und diesmal auch nicht besitzende Gesellschaftsgruppen umfassende Dimension bekam die Grundrechtsentwicklung in Deutschland mit der Weimarer Reichsverfassung von 1918/19. Der zweite Hauptteil der WRV enthielt in fünf Abschnitten Grundrechte und Grundpflichten, wobei die ersten beiden sich hauptsächlich mit den "klassischen" liberalen Freiheitsrechten beschäftigten: Gleichheit vor dem Gesetz, Freizügigkeit, Freiheit der Person, Unverletzlichkeit der Wohnung, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, usw.. Der dritte Abschnitt regelte das Verhältnis Staat - Kirche, wobei neben der Religionsfreiheit und der Abschaffung einer Staatskirche auch gewisse Kompromisse (wie die Kirchensteuerhoheit) getroffen wurden. Der vierte und fünfte Abschnitt des Grundrechtsteils der Verfassung ging - wohl nicht zuletzt aufgrund der federführenden Rolle der SPD bei der Schaffung der WRV - neue Wege und nahm den Staat in die Pflicht, die bürgerliche Gesellschaft weiterzuentwickeln und somit allen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Darunter fielen auch die Sozialbindung des Eigentums und Regelungen über Sozialversicherungen. In der Praxis wurden besonders die letztgenannten Grundrechte eher wie Programmsätze ohne direkte rechtliche Bindungswirkung ausgelegt. Besonders fatal war jedoch die dem Reichspräsidenten eingeräumte Möglichkeit, wichtige Grundrechte über den Notstandsartikel 48 außer Kraft zu setzen. Diese im gesamten eher schwache Stellung der Grundrechte ermöglichte es 1933 den Nationalsozialisten, die Reichsverfassung und die Grundrechte praktisch zu ignorieren und Europa in die Wirren des Zweiten Weltkrieges zu stürzen.

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Nach 1945 herrschte in der internationalen Gemeinschaft das Gefühl vor, daß nie wieder Tyrannen in die Grundrechte des einzelnen eingreifen dürften und daß auch international etwas zu ihrem Schutz getan werden müsse. Dies war einer der Gründe für die Gründung der Vereinten Nationen, die dann auch 1948 eine "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" verabschiedeten. In Deutschland selbst war man ganz besonders für die Pervertierung des Rechtes durch Diktatoren sensibilisiert und so wurden der vom Parlamentarischen Rat für den Westteil des Landes erarbeiteten vorläufigen Verfassung, dem Grundgesetz, nicht wie noch in Weimar nur ein paar eher unverbindliche Grundrechte angehängt, sondern ein umfassender und gemäß Art. 1 III GG alle Staatsgewalt verpflichtender Grundrechtsteil vorangestellt. Neben bereits vorhandene wurden im Laufe der Zeit weitere Schutzmaßnahmen gegen Grundrechtsverletzungen geschaffen und so präsentiert sich das Grundgesetz heute als wehrhafte Verfassung, die dank der "Ewigkeitsgarantie" über gewisse nicht abschaffbare Verfassungsprinzipien verfügt und die auch die Grundrechte zumindest in ihrem Wesensgehalt vor Beeinflussungen selbst durch den Gesetzgeber schützt, die jedoch auch für Fälle gerüstet ist, in denen es jemand unternimmt, die Verfassung unter Ausnützung der durch sie gewährten Freiheiten (es sei an das entsprechende Goebbels-Zitat erinnert) auszuhebeln und gegenüber einer solchen Person unter anderem die Möglichkeit der Verwirkung bestimmter Grundrechte und das Recht jedes einzelnen zum Widerstand bereit hält. Die Errichtung einer Diktatur und die Außerkraftsetzung von Grundrechten kann auf deutschem Boden somit nur noch durch klaren Verfassungsbruch und Usurpation und nicht mehr auf zumindest scheinbar rechtsstaatlichem Wege, wie es noch bei der Machtergreifung durch die Nazis in Weimar der Fall war, geschehen.

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In der jüngeren Geschichte gab es im Zuge der Wiedervereinigung Überlegungen, soziale und ökonomische Grundrechte in eine gesamtdeutsche Verfassung aufzunehmen. Doch bereits im Einigungsvertrag war nur noch von etwaigen Staatszielen die Rede und die einzigen Verfassungsänderungen im Bereich der Grundrechte, die dann tatsächliche von der Gemeinsamen Verfassungskommission empfohlen wurden, war die an den Staat gerichtete Aufgabe, auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau hinzuarbeiten und das Benachteiligungsverbot für Behinderte. Eine weitere Änderung wurde im Jahr 1993 mit der umstrittenen Neufassung der Artikel 16, bzw. der Einführung des Artkel 16a und der damit verbundenen Einschränkung des Asylrechts vollzogen.


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II. Das Wesen der Grundrechte des Grundgesetzes

1. Grundrechtsmodelle

Wie alles Recht sind auch Grundrechte historisch gewachsen, wird ihr Wesen unterschiedlich betrachtet. Dabei spielen ideologische Motivationen aber auch gesellschaftliche Entwicklungen eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Natur des abstrakten Begriffs des "Grundrechts":

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  • Der liberale Begriff des "Grundrechts" betrachtet es ausschließlich als Freiheitsrecht gegenüber dem Staat. Der Bürger bekommt durch das Grundrecht einen Freiraum eingeräumt, in dem er autonom handeln kann.
  • Nicht nur die Freiheit vom Staat sondern die Freiheit in und mit dem Staat sieht das konstitutive Grundrechtsmodell als Wesen des "Grundrechts" an. Es genüge nicht, daß ein Staat Freiheiten gewähre, vielmehr müßten dem Bürger auch Freiheiten zustehen, mit denen er selbst den Staat gestalten kann - etwa das Demonstrationsrecht oder die Freiheit der Meinungsäußerung.
  • Der Sinn der "Grundrechte" liegt nach einer anderen Auffassung in der Bildung einer Werteordnung, die als normative Grundlage eines Staates dient und die die Basis eines politischen Gemeinwesen ist.
  • Eine funktionale Betrachtungsweise der "Grundrechte" betrachtet sie nicht mehr als Freiheiten, die durch den Staat gewährt werden, sondern bereits als Voraussetzungen für die Existenz des Staates. Ein moderner pluralistischer und demokratischer Staat könne erst dann existieren, wenn seine Bürger a priori über Grundrechte verfügten.
  • Die Frage nach den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von "Grundrechten" stellt schließlich das sozialstaatliche Grundrechtsmodell. Da das formale Recht auf Eigentum demjenigen nichts bringt, der aufgrund seiner Armut niemals Eigentum wird erwerben können, da das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung demjenigen nichts bringt, der niemals eine Wohnung besitzen wird, ist nach dieser Auffassung in den Grundrechten auch ein Auftrag an den Staat zu sehen, die Voraussetzungen für den Gebrauch der Grundrechte durch den einzelnen zu schaffen.

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In die Verfassungspraxis spielen alle verschiedenen Konzeptionen herein, wobei insbesondere das Bundesverfassungsgericht keineswegs eine vollständige Abkehr von der ursprünglichen liberalen Grundrechtskonzeption zu vollziehen bereit zu sein scheint. Letztlich sprechen für und gegen jede Konzeption gute Gründe, den absoluten Königsweg zum Grundrechtsverständnis gibt es wohl nicht.


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2. Funktion der Grundrechte

Prinzipiell sind die Grundrechte des Grundgesetzes die subjektiven Rechte des einzelnen, die gegenüber der Ausübung der staatlichen Gewalt einen verfassungskräftigen Schutz bilden. Das bedeutet, daß man ihren Gebrauch gegenüber dem Staat nicht zu rechtfertigen braucht, der Staat jedoch Eingriffe oder Beschränkungen nur bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes vornehmen darf. Insofern gehen die Grundrechte dem Staat vor. Dabei wird prinzipiell zwischen drei Funktionen im Verhältnis von Individuum und Staat unterschieden:

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  • Grundrechte gewähren Freiheit vom Staat, d. h. die Grundrechte, die als Abwehrrechte im klassischen Sinn ausgestaltet sind, garantieren dem Indiviuum Schutz vor Eingriffen des Staates (=status negativus).
  • Grundrechte gewähren Anspruchs-, Teilhabe-, Leistungs- und Verfahrensrechte, d. h. ermöglichen dem Individuum in manchen Bereichen erst die Schaffung und Erhaltung seiner freien Existenz (=status positivus). Das klassische Grundrecht dieser Kategorie ist das Grundrecht auf Rechtsschutz.
  • Grundrechte regeln die Betätigung des einzelnen im und für den Staat, was durch die sogenannten staatsbürgerlichen Rechte (z.B. das aktive und passive Wahlrecht) gesichert wird (=status activus).


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3. Grundrechtsträger

Das Grundgesetz unterscheidet zwischen den sogenannten "Jedermannsrechten" und den "Deutschenrechten". Erstere stehen jedermann zu, letztere nur deutschen Staatsbürgern. Bei den "Deutschenrechten" handelt es sich zumeist um die weitergehenden Rechte wie das Recht auf freie Arbeitsplatz- und Berufswahl oder die Vereinsfreiheit. Teilweise wird der Rechtsschutz der "Deutschenrechte" auf Ausländer mittels einfach gesetzlicher Regelungen ausgedehnt - so genießen sie nach § 1 VereinsG auch die Vereinsfreiheit. Da dieser Schutz jedoch nur den Rang eines Gesetzes und nicht die Kraft eines Grundrechts hat, wurde teilweise versucht, den vollständigen Grundrechtsschutz über juristisch-dogmatische Konstruktionen auch auf Ausländer auszudehnen, was jedoch nicht zu überzeugenden Resultaten führte.

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Grundsätzlich entfalten Grundrechte ihre Wirkung von der Geburt bis zum Tod, wobei in beiden Grenzbereichen teilweise Ausnahmen bestehen. So wird davon ausgegangen, daß der Schutz der Menschenwürde auch für Tote zu gelten hat und daß der Embryo entweder selbst oder über den objektiven Schutz durch die Ratio der Verfassungsbestimmungen am Recht auf Leben partizipiert. Aber nicht nur Menschen können Grundrechtsträger sein, auch juristische Personen (also etwa ein rechtsfähiger Verein, eine Stiftung oder eine Aktiengesellschaft) können dann Träger von Grundrechten sein, wenn diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. So wäre es natürlich unsinnig, einer Aktiengesellschaft Religionsfreiheit zuzugestehen. Das Grundrecht auf Eigentum kommt ihr hingegen zu. Noch differenzierter wird die Frage der Grundrechtsträgerschaft bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Gemeinden, Sozialversicherungsträger, Universitäten,...). Aus der Funktion der Grundrechte als primär dem Staat gegenüber wirkende Rechte ergibt sich, daß eine Organisation, die Aufgaben des Staates erfüllt, prinzipiell selbst Teil der Staatsgewalt ist und deshalb nicht gegen sich selbst geschützt zu werden braucht. Eine Ausnahme wird bei juristischen Personen des öffentlichen Rechtes dann gemacht, wenn sie in einem Bereich tätig sind, der "unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen" ist (Bundesverfassungsgericht). So können sich beispielsweise auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auf das Recht der Rundfunkfreiheit oder Universitäten auf die Freiheit von Forschung, Wissenschaft und Lehre berufen.


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4. Grundrechtsverpflichtete

Gemäß Art. 1 I GG verpflichten die Grundrechte in erster Linie die Staatsgewalt - und zwar in allen ihren Funktionen (Legislative, Exekutive, Jurisdiktion). Art. 1 III GG stellt klar, daß die Grundrechte unmittelbare rechtliche Geltung entfalten und somit weit mehr als nur Programmsätze sind. Aufgrund der umfassenden Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht wird auch der Gefahr einer Verwässerung durch die Staatsgewalt vorgebeugt.

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Unter dem Begriff der "Fiskalgeltung der Grundrechte" wird die Frage thematisiert, inwieweit der Staat noch grundrechtsverpflichtet ist, wenn er wie ein Privater auftritt und Verträge abschließt - etwa das Bürgermeisteramt, das eine neue EDV-Anlage kauft oder die Lufthansa, an der der Staat Anteile hält ohne Alleineigner zu sein. Einigkeit herrscht darüber, daß der Staat grundrechtsverpflichtet ist, sobald er Verwaltungsaufgaben in Formen des Privatrechts erbringt, d. h. wenn die Verwaltung Leistungen etwa über Verträge mit Privatpersonen erbringt, darf sie nicht willkürliche Unterscheidungen über Vertragsabschluß oder -konditionen treffen. Ansonsten setzt sich heute hauptsächlich noch der BGH für die Fiskustheorie ein, womit er jedoch beinahe alleine auf weiter Flur zu stehen scheint.

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Ebenfalls problematisch wird die Frage der Grundrechtsverpflichtung bei der Überlegung, inwieweit die Grundrechte auch zwischen Privaten Wirkung entfalten können (= die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte). Dabei gibt es insgesamt drei Interpretationsmöglichkeiten :

  • Die Auffassung, Grundrechte würden keinerlei Drittwirkung entfalten, geht davon aus, daß sobald es zu Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgern kommt, die Gerichte eingeschaltet werden. Diese sind jedoch als Teil der Staatsgewalt den Grundrechten ohnehin unterworfen.
  • In einer frühen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht die These vertreten, Grundrechte würden eine direkte Drittwirkung entfalten. Dies gelte zwar nicht für alle, jedoch für eine Anzahl wichtiger Grundrechte. Grund für diese direkte Wirkung sei ein "Bedeutungwandel der Grundrechte", die nun nicht mehr nur Freiheitsrechte sondern auch "Ordnungsgrundsätze für das soziale Leben" seien.
  • Prinzipiell (und in den letzten Jahrzehnten auch vom Bundesarbeitsgericht) wird jedoch davon ausgegangen, daß Grundrechte nur mittelbar in privaten Rechtsverhältnissen wirken. Daß überhaupt eine Drittwirkung bestehen müsse, ergebe sich aus Art. 1 II des Grundgesetzes, nachdem die Menschenrechte "Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft" sind und aus der Realität, die zeigt, daß auch von nichtstaatlichen Institutionen wie etwa großen Konzernen, Verbänden oder Gewerkschaften Freiheitsbedrohungen ausgehen können. Gegen eine Unmittelbarkeit der Drittwirkung spreche jedoch nicht nur der Wortlaut des Art. 1 III GG, der eben nur die "öffentliche Gewalt" aufführt, sondern auch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, in der die Verfassungsväter die Grundrechte als Schrankensetzung für die Allmacht des Staates in das Grundgesetz aufnahmen. Auch die Systematik des Grundgesetzes spreche gegen eine unmittelbare Drittwirkung, wäre doch an wenigen Stellen explizit eine unmittelbare Drittwirkung angeordnet (so untersagt Art. 9 III GG etwa die privatrechtliche Außerkraftsetzung des Koalitionsrechts) und müsse deshalb davon ausgegangen werden, daß im Normalfall keine unmittelbare Drittwirkung bestehe. Entscheidendes Argument dürfte jedoch die Überlegung sein, daß bei einer unmittelbaren Drittwirkung die Grundrechte sich plötzlich in Pflichten gegenüber allen Mitbürgern wandeln und damit zu erheblichen Freiheitseinbußen führen würden. Man stelle sich eine unmittelbare Drittwirkung des Gleichheitssatzes vor - das wäre das Ende der Stammkneipe (würde man sie doch gegenüber anderen bevorzugen). Oder ein unmittelbar wirkendes Recht auf freie Berufswahl - in den Führungsetagen der Unternehmen würden sich ganze Scharen von Arbeitsnehmern wiederfinden, die alle ihren neuen Beruf als Vorstandsvorsitzender antreten wollen. Deshalb wird lediglich eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte angenommen. Diese äußert sich darin, daß zum einen die Gesetze, die die privaten Rechtsverhältnisse bestimmen, und die Entscheidungen der Gerichte mit den Grundrechten vereinbar sein müssen und daß zum andern der objektiv-rechtliche Charakter der Grundrechte quasi auf das Privatrecht "ausstrahlt" und somit dem einzelnen über sogenannte Generalklauseln subjektiv-rechtliche Grundrechtspositionen zukommen. Diese Generalklauseln sind etwa Begriffe wie "rechtmäßig" oder "sittenwidrig", also Begriffe, die erst der inhaltlichen Konkretisierung bedürfen und die somit als "Einfallstore" für die Grundrechte im Bereich des Privatrechts wirken.

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Die Existenz von gesonderten Grundpflichten der Bürger wird überwiegend nicht angenommen. Wehr-, Steuer- und Schulpflicht seien genau wie die Kollision von Grundrechten zweier Bürger nur Begrenzungen der Grundrechte, aber keine originären Grundpflichten.


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5. Grundrechtsbeschränkungen

Ohne jegliche Einschränkungen von Grundrechten wäre ein Leben in einer Gesellschaft nicht möglich - könnte sich dann doch jeder Straftäter auf seine Handlungsfreiheit berufen oder jeder TV-Kanal Horror- und Pornofilme zur nachmittäglichen Sendezeit ausstrahlen. Zunächst einmal wird ein Grundrecht bereits durch seine verfassungsrechtliche Kodifizierung nicht ganz umfassend gewährt - bestes Beispiel ist die Versammlungsfreiheit, die nur für friedliche Versammlungen Gültigkeit hat, die Zusammenrottung bewaffneter Banden kann sich also schon gar nicht auf den Schutzbereich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit berufen. Darüber hinaus können aber auch bei einschlägigem Grundrecht Beschränkungen gerechtfertigt sein. Prinzipiell muß dabei unterschieden werden, um was für ein Grundrecht es sich handelt:

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  • In Grundrechte, die unter Gesetzesvorbehalt stehen, kann prinzipiell durch einfaches Gesetz eingegriffen werden. Beispiel dafür ist etwa das Recht auf freie Berufsausübung, bei dem es auch einleuchten dürfte, daß der Gesetzgeber beispielsweise bestimmen darf, daß ein Bäcker sich nicht unbedingt direkt aus dem schlammigen Garten kommend ans Brötchenbacken machen darf.
  • Unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt stehen Grundrechte, die nicht durch irgendein beliebiges Gesetz beschränkt werden dürfen. Für die Gesetze, die diese Grundrechte einschränken dürfen, werden im Grundgesetz gewisse Kriterien gesetzt, die unbedingt eingehalten werden müssen. So darf etwa das Grundrecht auf Freizügigkeit "nur durch Gesetz [...] und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen [...] es zur Abwehr einer drohenden Gefahr [...] erforderlich ist".
  • Die elementaren Grundrechte stehen unter keinem Gesetzesvorbehalt. Dennoch darf in sie eingegriffen werden - wenn es zu einer Kollision des Grundrechts mit elementaren Grundrechten anderer kommt. Dabei muß jeweils abgewogen werden, welchem Grundrechte der höhere Wert zukommt. Ein solches Grundrecht, das prinzipiell nicht eingeschränkt werden kann, ist etwa die Religionsfreiheit.

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Die Tatsache, daß der Gesetzgeber mit einfacher Mehrheit in manche Grundrechte eingreifen kann, darf nicht darüber hinweg täuschen, daß er auch dabei verfassungsimmanenten Grenzen unterliegt. So untersagt Art. 19 GG u. a. das Antasten eines Grundrechtes in seinem Kernbereich. Ein weiteres wichtiges Gebot, das dem Rechtsstaatsprinzip entspringt und den Gesetzgeber bei seiner Arbeit verpflichtet, ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Der Gesetzgeber darf nur Gesetze erlassen, die geeignet und notwendig sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Reine Willkürgesetze sind somit verfassungsrechtlich untersagt.


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III. Einzelne Grundrechte des Grundgesetzes

Im folgenden werden die "bedeutsamsten" (im Prinzip gibt es keine bedeutungslosen !) Grundrechte des Grundgesetzes kurz dargestellt. Wie für diesen ganzen Text gilt auch hier, daß es sich dabei lediglich um eine kurze und oberflächliche Einführung handeln kann.


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1. Die Menschenwürde (Art. 1 I GG)

Dieses von der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes geschützte Menschenrecht hat seinen Ursprung in den Erfahrungen mit den menschenverachtenden Verbrechen der Nazidiktatur. Da es im ersten Satz der Verfassung stehend auch einen gewissen plakativen Symbolgehalt hat, ist die inhaltliche Bestimmung nicht ganz einfach. Man ist in der Praxis dazu übergegangen, die Menschenwürde über ihre Beschränkung zu bestimmen. Wenn der Mensch durch staatliches Handeln zu einem bloßen Objekt im Staat herabgewürdigt wird, sei das Grundrecht der Menschenwürde betroffen. Da es oberster Wert der Verfassung ist, gibt es für einen solchen Eingriff auch keine Rechtfertigung, womit dann stets auch eine verfassungswidrige Grundrechtsverletzung vorliegt. Selbst diese "Objektformel" ist jedoch noch sehr assoziativ, so daß die Rechtsprechung und das Schrifttum Konkretisierungen der Menschenwürde getroffen haben:

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  • geistig-seelische Integrität (=Verbot von Wahrheitsseren und Hypnose zur Strafverfolgung)
  • körperliche Identität und Integrität (=Verbot von Folterungen und der Züchtung von Menschen)
  • rechtliche Gleichheit (=Verbot von Sklaverei und rassischer Diskriminierung)
  • Sicherung individuellen und sozialen Lebens (=Pflicht des Staates, dem Bürger das Existenzminimum zur Verfügung zu stellen)
  • Begrenzung staatlicher Gewaltanwendung (=Pflicht des Staates zur Gewährung umfassender Rechtsschutzgarantien)

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Oftmals sind bei Verletzung der Menschenwürde auch bereits andere Grundrechte verletzt (etwa bei der rechtlichen Gleichheit). In Hinblick auf den Charakter der Menschenwürde als Recht auf körperliche Identität und Integrität stellt sich für die Zukunft mit der Weiterentwicklung der Gentechnologie eine Herausforderung an das Menschenbild des Grundgesetzes, die noch umfangreiche Diskussionen nach sich ziehen wird.


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2. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG)

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dient praktisch als "Auffanggrundrecht", da es so gut wie jedes menschliche Handeln umfaßt, also auch dann eingreift, wenn das Handeln nicht durch ein anderes Grundrecht gedeckt ist. Somit ist gegen praktisch jeden Akt der öffentlichen Gewalt unter Berufung auf das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der Weg der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht möglich. Andererseits ist dieses Grundrecht auch durch einen sehr umfangreichen Gesetzesvorbehalt gekennzeichnet - nicht nur jedes Gesetz, sondern bereits jeder Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung (darunter fallen auch Rechtsverordnungen und Satzungen), die Rechte anderer oder selbst das "Sittengesetz" können einen Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit rechtfertigen.


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3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG)

Das Bundesverfassungsgericht hat die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG unter Berufung auf die Menschenwürde des Art. 1 I GG zum "allgemeinen Persönlichkeitsrecht" weiterentwickelt. Als Begründung wurde auf den Sinn der Grundrechte verwiesen, die die persönliche Lebenssphäre des Menschen schützen sollen. Dies sei durch die traditionellen Freiheitsgarantien nicht mehr umfassend gewährleistet, so daß gerade im Hinblick auf neue gesellschaftliche Entwicklungen das neue Institut des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes notwendig geworden sei. Es umfasse beispielsweise

  • das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort
  • das Recht auf Gegendarstellung
  • das Recht, im Strafverfahren nicht zur Selbstbezichtigung gezwungen zu werden
  • das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
  • der Schutz eines abgeschirmten Bereiches persönlicher Entfaltung

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Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht ist deutlich besser vor Eingriffen geschützt als die allgemeine Handlungsfreiheit, den besonderen Rang der Menschenwürde erreicht es jedoch nicht ganz.


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4. Das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 II GG)

Das Recht auf Leben umfaßt das Recht auf körperliche Existenz, Aussagen über eine eventuelles Recht auf Selbsttötung lassen sich nicht aus dem Recht auf Leben, sondern nur aus der allgemeinen Handlungsfreiheit treffen. Das Recht auf körperliche Unversehrheit erfaßt primär das Verbot biologisch-physiologischer Verletzung, aber auch seelisch-geistiger Mißhandlungen. In diese beiden Grundrechte darf jedoch mit Rechtfertigung durch ein einfaches Gesetz eingegriffen werden. Sofern nicht explizit in der Verfassung aufgeführte Schranken (wie das Verbot der Todesstrafe in Art. 102) eingreifen, bleibt nur der Rückgriff auf Institute wie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, um dem Eingriff die Rechtfertigung zu entziehen. Da hier jedoch viel Beurteilungsspielraum bleibt (was ist geeignet, was ist noch erforderlich ?), sind diese Grundrechte besonders für politisch unterschiedliche Einschätzungen anfällig. Ein kleine Ausnahme stellt das ebenfalls hier normierte Recht auf Freiheit der Person dar. Geschützt wird zunächst die körperliche Bewegungsfreiheit des Menschen. Daß Eingriffe in die Freiheit nun nicht durch einfaches Gesetz ermöglicht werden können, ergibt sich nicht aus Art. 2 II GG sondern aus dem Art. 104 GG, der genau wie Art. 2 II GG die Freiheit der Person schützt und einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt anordnet. Soll also in die Bewegungsfreiheit einer Person eingegriffen werden, so ist dies nur mit vorheriger oder in eiligen Fällen sofort nachzuholender richterlicher Genehmigung möglich. Inwieweit eine lebenslange Freiheitsentziehung möglich ist, ist umstritten. Zumindest muß jedoch die begründete Hoffnung auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Begnadigung bestehen können.


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5. Das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG)

Im Gegensatz zu den klassischen "liberalen" Freiheiten des Art. 2 GG stellt Art. 3 GG die "egalitäre" Komponente des Grundrechtsschutzes dar. Er fordert grundsätzlich Rechtsanwendungsgleichheit (Gleichheit vor dem Gesetz) und Rechtssetzungsgleichheit (Gleichheit des Gesetzes). Wesentlich Gleiches darf genauso wenig willkürlich ungleich behandelt werden wie wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt werden darf. Entscheidend bei der Anwendung der Gleichheitssatzes ist die Bestimmung eines sinnvollen Bezugspunktes - wählt man nämlich zu enge Kriterien, ist jeder Mensch anders als der andere und jede Situation anders als die andere, wählt man zu weite Kriterien, wird sich alles immer ähnlicher. Und auch bei Wahl eines vernünftigen Bezugspunktes und der Feststellung einer Ungleichbehandlung muß noch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen. Dieser ist erst dann festzustellen, wenn es für die ungleiche Behandlung keinen sachlichen Grund gab. Dazu ist eine ähnliche Abwägung wie schon bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendig. So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise entschieden, daß kürzere Kündigungsfristen für Arbeiter als für Angestellte wegen Fehlens eines sachlichen Grundes einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellen. Die Nichtzulassung von staatlich nicht anerkannten Dentisten zu den gesetzlichen Krankenkassen im Unterschied zu staatlich anerkannten Dentisten beruhe jedoch beispielsweise auf einem sachlichen Grund und sei deshalb kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Eine Begrenzung der verschiedenen möglichen Unterscheidungskriterien wird durch Absatz III des Gleichheitsgrundsatzes bewirkt - eine Unterscheidung nur anhand eines dort genannten Kriteriums ist unzulässig. So darf etwa nicht einfach zwischen Mann und Frau unterschieden werden, vielmehr sind objektive biologische Unterschiede notwendig (so darf eine Frau gegenüber einem Mann nur insoweit bevorzugt werden, als sie die besonderen Schwierigkeiten der Geburt zu tragen hat). Eine weitere Ausprägung findet der Gleichheitssatz beispielsweise in Art. 6 V GG, nach dem die Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes kein zulässiges Unterscheidungsmerkmal ist. Auch in Art. 38 I GG findet sich eine sehr wichtige Variante des Gleichheitssatzes - die Normierung der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl.

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Auch in den Auswirkungen eines Verstoßes unterscheidet sich der Gleichheitssatz von den Freiheitsrechten. So liegt die Folge einer willkürlichen Begünstigung eines Personenkreises nicht darin, daß auch andere Bürger in den Genuß dieser Willkür kommen. Wird jedoch ein Bürger durch eine Ungleichbehandlung belastet, so wird er von dieser Belastung frei. Grundsätzlich gilt allerdings, daß bei den Auswirkungen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG teilweise recht stark differenziert wird.


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6. Die Religions- , Weltanschauungs- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG)

Obwohl sprachlich zwischen drei Freiheiten unterschieden wird, geht man davon aus, daß hier ein einheitlicher Komplex geschützt wird. Dabei ist nicht nur das Bekenntnis zu einer Religion oder Weltanschauung geschützt, sondern das gesamte Verhalten, das damit in Zusammenhang steht. Es kommt auch nicht darauf an, ob es sich um eine große Religion oder lediglich die Religion weniger Menschen handelt - von Art. 4 GG werden alle geschützt. Problematisch wird das zum einen dann, wenn sich eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft als getarntes Wirtschaftsunternehmen entpuppt oder jemand sich für gemeinhin gesellschaftlich nicht akzeptierte Verhaltensweisen (etwa die Verweigerung von Steuerzahlungen) auf seine Religionsfreiheit beruft. Hier kommen die Gerichte nicht umhin, positiv zu entscheiden, was sich zu Recht Religion oder Weltanschauung nennen darf und was nicht. Denn fällt ein Verhalten erst einmal unter den Schutzbereich des Art. 4 GG, sind Eingriffe fast stets verfassungswidrig. Lediglich aus denen vom Grundgesetz übernommenen Vorschriften der Art. 136 und 137 der Weimarer Reichsverfassung und durch kollidierendes Verfassungsrecht ließen sich Eingriffsrechtfertigungen herleiten. In Hinblick auf das sommerlochfüllende Kruzifixurteil bliebe noch anzumerken, daß von jeher auch die negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit als von Art. 4 GG geschützt betrachtet wurde, man also schon immer davon ausgegangen ist, daß es dem Staat verboten sei, den Bürger der Demonstration einer religiösen Überzeugung unentziehbar auszusetzen (eta BVerwG, in: NVwZ 1988, S. 937).


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7. Meinungs- und Informationsfreiheit, Presse-, Film- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 I GG)

In Art. 5 I GG werden einige der für ein verantwortliches staatsbürgerliches Verhalten wichtigsten Grundrechte geschützt. Die Meinungsfreiheit ist dabei der Grundstein für eine "ständige geistige Auseinandersetzung", die Voraussetzung für "eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung" (Bundesverfassungsgericht) sei. Umfaßt wird die Äußerung und Verbreitung von Werturteilen und bis zu einem gewissen Grad wohl auch Tatsachenbehauptungen (umfassen sie ja das Werturteil, daß derjenige, der sie äußert, für wahr hält). Die Informationsfreiheit sichert das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Sehr wichtig ist auch die Pressefreiheit, die seit dem "Spiegel"-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes als Schutz sowohl der Beschaffung der Informationen als auch der Verbreitung der Nachrichten verstanden wird. Der Hörfunk und das Fernsehen werden ähnlich durch die Rundfunkfreiheit geschützt, wenngleich hier die Besonderheiten der teilweise staatlichen Organisation der Hörfunk- und Fernsehsender berücksichtigt werden müssen. Daraus ergibt sich der Auftrag an den Staat, eine "Grundversorgung" der Bürger sicherzustellen und dabei dafür zu sorgen, daß die bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit dargestellt werden. Die Filmfreiheit als letztes Schutzgut des Art. 5 I GG sichert die Vermittlung von "Gedankeninhalten durch Bilderreihen" (Pieroth/Schlink). Art. 5 I GG steht durch Absatz II komplett unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt. Der Begriff des "allgemeinen Gesetzes" darf nicht darüber hinweg täuschen, daß nicht jedes beliebige Gesetz die Freiheiten des Absatz I beschneiden darf, vielmehr vermögen dies solche Gesetze nicht, die speziell zur Beeinflussung eines der Grundrechte des ersten Absatzes geschaffen wurden. Somit können nur Gesetze, die generell das Wirken der Menschen und nicht speziell die von Absatz I geschützte geistige Betätigung betreffen, eine Eingriffsrechtfertigung darstellen. Weitere Eingriffermächtigungen sind das ebenfalls im zweiten Abschnitt genannte Recht der persönlichen Ehre und der Jugendschutz. All diese Eingriffsrechtfertigungen gestatten jedoch nur ein staatliches Eingreifen nach Erstellung des betroffenen Werkes. Eine vorherige oder präventive staatliche Kontrolle ist durch das Zensurverbot ausgeschlossen, zumindest nicht generell jedoch nachträgliche Kontrollen und Repressionsmaßnahmen. Doch werden aufgrund der oben erwähnten hohen Bedeutung der Freiheiten des Art. 5 I GG hohe Anforderungen an Eingriffe gestellt - woraus sich auch etwa das ebenfalls völlig zu Unrecht scharf kritisierte Verfassungsgerichtsurteil zum Satz "Soldaten sind Mörder" erklärt. Es besagte lediglich, daß solange eine Meinungsäußerung auch andere Deutungsmöglichkeiten zuließe (im konkreten Fall klebten neben dem Aufkleber mit dem Tucholsky-Zitat u.a. auch der Aufkleber, der einen von Schüssen getroffenen Soldaten mit hochgerissenen Armen zeigte, über dem der Schriftzug "Why ?" stand, so daß das Gericht nicht ausschließen konnte, daß keineswegs eine Beleidigung der Soldaten sondern ein Bedauern über die in Kriegen getöteten Soldaten ausgedrückt werden sollte), was insbesondere in Strafprozessen, in denen die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen werden muß, ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist.


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8. Die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG)

Ein sehr schwieriges Grundrecht ist die Kunstfreiheit, gilt es hier nämlich erneut, einen offenen Begriff zu konkretisieren. Die Defintion eines Kunstwerkes ist kaum möglich und führt deshalb immer wieder zu Streitigkeiten. Vom Bundesverfassungsgericht wurden insgesamt drei Kunstbegriffe geschaffen:

  • Kunst als "freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden"
  • Kunst als zu einem bestimmten Werktyp (Dichten, Theaterspielen, Malen,..) zurechenbar
  • Kunst als Äußerung, bei der es "wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehaltes möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen"

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Die Bedeutung einer korrekten Bestimmung des Kunstbegriffes wird dann deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß es sich bei der Kunstfreiheit um ein nicht unter Gesetzesvorbehalt stehendes Grundrecht handelt. D. h. in die Kunstfreiheit kann nur bei kollidierendem Verfassungsrecht eingegriffen werden. Da sowohl die Herstellung (Werkbereich) als auch die Darstellung (Wirkbereich) eines Kunstwerkes geschützt ist, handelt es sich bei der Definition von "Kunst" somit um eine heikle Frage, die stets umstritten bleiben wird. Ebenfalls gesetzesvorbehaltslos gewährt wird das zweite Grundrecht des Art. 5 III GG, die Freiheit von Wissenschaft und Lehre. Lediglich letztere ist dahingehend eingeschränkt, daß Lehrende zur Verfassungstreue verpflichtet sind.


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9. Die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG)

Für Versammlungen in geschlossenen Räumen sind Eingriffe nur aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts möglich, somit gilt es, wie so oft bei Grundrechten, eine exakte Definition des eigentlich erfaßten Schutzbereiches zu treffen. Dies ist, ebenfalls wie so oft, nicht einfach und deshalb stets umstritten gewesen. Es beginnt bereits beim Begriff der Versammlung und der Zahl der Personen, die notwendig sind, um eine "Versammlung" zu sein (man schwankt zwischen einer Mindestpersonenzahl von 2, 3 und 7). Auch um die Frage, ob zur Bildung einer Versammlung ein bestimmter Zweck notwendig ist, und welche Maßstäbe an ihn zu legen sind, herrscht Streit. Großzügiger kann diese Definition bei Versammlungen unter freiem Himmel gehandhabt werden, da diese durch einfaches Gesetz oder aufgrund eines solchen Gesetzes beschränkt werden können. Bewaffnete oder unfriedliche Versammlungen fallen wie bereits erwähnt schon gar nicht in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit.


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10. Die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG)

Ein Verein im Sinne des Art. 9 GG ist eine "Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen oder einer organisierten Willensbildung unterworfen hat" (§ 2 I VereinsG). Der Absatz II des Art. 9 GG enthält Rechtfertigungen für ein Verbot von Vereinen, die jedoch (bis auf Fälle kollidierenden Verfassungsrechts) endgültig aufgezählt sind. Vereine genießen nicht das Grundrecht des Art. 9 I GG, wenn sie

  • den Strafgesetzen zuwider laufen
  • sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten
  • sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten

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Die Vereinsfreiheit beinhaltet nicht nur das Recht, Vereine zu gründen, sondern auch die Freiheit der Vereine, über Mitgliederaufnahmen selbst zu entscheiden. Eine Aufnahmepflicht kann nur bei Monopolvereinen bestehen. Problematisch ist die Frage, ob Art. 9 I GG dem Bürger auch die Freiheit gewährt, einer öffentlich-rechtlichen Zwangsvereinigung (etwa der Industrie- und Handelskammer) fernzubleiben.

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Im dritten Abschnitt des Art. 9 GG wird die Koalitionsfreiheit als ein weiteres Grundrechte definiert. Erfaßt werden hier nur Vereinigungen, die den Zweck der Wahrung und Förderung der Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen verfolgen. Die betrifft vor allem die Gründung, den Beitritt und die Aktivität von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden - insbesondere den Abschluß von Tarifverträgen. Arbeitskampfmaßnahmen werden von Art. 9 III GG nur insoweit geschützt, als sie dem Zweck der Vereinigung dienen sollen. Reine "wilde" oder nur politisch motivierte Streiks werden nicht gedeckt. Ansonsten gelten - bis auf die Eingriffsermächtigung - ähnliche Überlegungen wie zur Vereinigungsfreiheit.


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11. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG)

Geschützt werden durch das Postgeheimnis alle Daten des Postverkehrs, der sich von der Übergabe einer Sendung an die Post bis zu deren Auslieferung erstreckt. Davor und danach wird die schriftliche Kommunikation durch das Briefgeheimnis (das auch den nicht über die Post abgewickelten Briefverkehr erfaßt) geschützt. Das Fernmeldegeheimnis schützt die gesamte individuelle Kommunikation über das Medium elektromagnetischer Wellen (also z.B. Telefon, Telegramm, Telefax, Amateurfunk). Das gesamte Grundrecht steht unter einfachem Gesetzesvorbehalt. Verschärft werden die Eingriffsmaßnahmen darüber hinaus durch den mit der Notstandsgesetzgebung eingefügten Satz 2 des zweiten Absatzes. Nach ihm müssen Eingriffe dem Betroffenen dann nicht mitgeteilt werden, wenn dies der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes erfordere. In diesem Falle wird dem Betroffenen nämlich auch die Möglichkeit der Einschlagung des Rechtsweges gegen die Maßnahme genommen, was gemäß Art. 10 II GG durch Kommissionen des Bundestages übernommen wird (Parlamentarische Kontrollkomission). Neue Bedeutung hat die Eingriffsmöglichkeit in das Fernmeldegeheimnis durch die Technik der schnurlosen Telefone (Handys) und die damit verbundene Verschlüsselung der Informationen durch die Systembetreiber erhalten.


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12. Das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG)

Geschützt wird hier die Fortbewegung innerhalb der Bundesrepublik sowie die Einreise. Die Ausreise aus der Bundesrepublik wird jedoch nicht durch Art. 11 GG geschützt (sondern nur durch die allgemeine Handlungsfreiheit). Da Art. 11 GG auch den Wohnsitzwechsel schützen soll, umfaßt er auch das Recht auf Mitnahme der persönlichen Habe. Ebenfalls geschützt wird das Recht, einen Ortswechsel nicht vornehmen zu müssen. In das Recht auf Freizügigkeit kann nur unter den Bedingungen eines qualifizierten Gesetzesvorbehaltes eingegriffen werden - etwa zur Abwehr der Allgemeinheit entstehenden besonderen Lasten, bei Fehlen einer ausreichenden Lebensgrundlage oder zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen.


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13. Die Berufsfreiheit (Art. 12 GG)

Geschützt wird ein einheitlicher Berufsbegriff, der jede Tätigkeit beinhaltet, die zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage nicht nur sehr kurzfristig angelegt ist und nicht a priori sozial- oder gemeinschaftsschädlich ist (Berufe wären somit auch Nebentätigkeiten, nicht mehr jedoch Hobbys; durch die Herausnahme sozial- und gemeinschaftsschädlicher Tätigkeiten können sich Rauschgifthändler und Spione von vorneherein nicht auf die Berufsfreiheit berufen). Geschützt wird sowohl die Ausbildung zum als auch die Ausübung des Berufes. Das Grundrecht steht unter Gesetzesvorbehalt, jedoch reicht der Schutzbereich weiter als es zunächst scheinen mag. Im "Apotheken"-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die "Stufentheorie" entwickelt, nach der an den Gesetzgeber unterschiedlich strenge Maßstäbe je nach der Intensität des Eingriffs zu richten sind. In ihr unterscheidet das Gericht danach, ob es sich bei der gesetzlichen Regelung um

  • Berufsausübungsregeln, die bereits dann erfolgen dürfen, wenn die Zweckmäßigkeit sie verlangt,
  • subjektive Zulassungsvoraussetzungen, wie etwa dem Numerus Clausus bei bestimmten Studienfächern, die dann erfolgen dürfen, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen notwendige Voraussetzungen für die Berufsausübung darstellen, oder um
  • objektive Zulassungsvoraussetzungen, wie die Niederlassungsbeschränkung für Ärzte oder Apotheker, handelt, die nur bei schweren Gefahren für ein "überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" erfolgen dürfen,

handelt. Im Prinzip ist die "Stufentheorie" aber nur eine Anwendungsform des Verhältnismäßigkeitsprinzips.


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14. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

Dieses Grundrecht schützt die räumliche Privatsphäre des Menschen. Eingriffe sind nur unter den Voraussetzungen der Absätze II und III zulässig. Dabei normiert Absatz II für Durchsuchungen eine Ermächtigung durch Gesetz und eine Anordnung durch einen Richter. Auf letztere kann im Einzelfall bei "Gefahr im Verzug" verzichtet werden, also wenn die Einholung einer richterlichen Ermächtigung den Erfolg der Durchsuchung vereiteln würde. Absatz III gibt ferner Eingriffsrechtfertigungen in besonderen Fällen - zur Abwehr einer allgemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen. Auf Grund eines Gesetzes kann desweiteren die Unverletzlichkeit der Wohnung angetastet werden, wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verhütet werden sollen. In diesem Zusammenhang wird klar, daß die nachträgliche Aufklärung von Straftaten nicht als Gefahrenverhütung im Sinne des Art. 13 III GG gelten kann, ein immer wieder durch die öffentliche Diskussion geisternder großer Lauschangriff mit geltendem Verfassungsrecht nicht vereinbar wäre und erst eine Grundgesetzänderung erforderlich machen würde.


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15. Die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG)

Die Garantie des Eigentums gehört zu den diffizilsten Grundrechten des Grundgesetzes. Dies ergibt sich daraus, daß der Begriff des Eigentums selbst "durch die Gesetze" bestimmt wird. Prinzipiell versteht man unter Eigentum alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechte und Güter, wobei auch insbesondere dem Recht am "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" nach herrschender Meinung Eigentumsqualität zukommt. Subjektiv-öffentliche Rechte fallen dann unter den Eigentumsbegriff, wenn der einzelne dadurch eine eigentümerähnliche Rechtsposition erhält - hat er also eine eigene Leistung erbracht, wie bei Einzahlungen in die Rentenversicherung, so steht ihm ähnlich wie einem Eigentümer ein Anspruch auf Rente zu, handelt es sich jedoch lediglich um allgemeine Sozialleistungen, wie die Sozialhilfe, so fällt dies mangels eigener Leistung nicht unter den Begriff des Eigentums. Steuern sind prinzipiell kein Eingriff in das Eigentum (als Begriff konkreter Güter und Rechte) sondern lediglich ein Eingriff in das Vermögen (als abstrakte Gesamtheit aller Eigentumsrecht). Dieses wird jedoch durch Art. 14 GG nicht geschützt. Erst dann, wenn es sich um "Knebelsteuern" handelt, liegt ein Eingriff in das Eigentum vor. Beschränkungen des Eigentums dürfen nur durch ein Gesetz erfolgen und müssen wie immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Insbesondere muß der Gesetzgeber für Härte- und Übergangsklauseln sorgen, da Eigentümer prinzipiell den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz genössen. Absatz III ermächtigt zur konkreten Entziehung von Eigentumspositionen (Enteignung), was unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt steht und nur zum Wohle der Allgemeinheit und auch nur dann, wenn das Gesetz Art und Umfang der Entschädigung regelt, zulässig ist. Eine Art kollektiver Enteignung stellt die Möglichkeit zur Vergesellschaftung dar, die Art. 15 GG normiert. Sie ist nur bei Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln zulässig, unterliegt jedoch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Entschädigung ist wie bei der Enteignung zu regeln.


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16. Das Asylrecht (Art. 16a)

Das Asylrecht schützt vor politischer Verfolgung. Darunter versteht man eine Beeinträchtigung von Rechtsgütern, die den Betroffenen in eine ausweglose Lage bringt und die wegen "seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung" geschieht oder zu befürchten ist. Hat der Betroffene inländische oder auch sichere ausländische Fluchtalternativen, befindet er sich nicht in einer ausweglosen Lage. Die Verfolgung muß dem Betroffenen selbst drohen, die bloße Zugehörigkeit zu einer verfolgten Gruppe genügt nur dann, wenn diese prinzipiell mit deutlicher Härte und Unnachgiebigkeit verfolgt wird. Problematisch ist die Differenzierung bei strafrechtlicher Verfolgung, die aus der Verletzung politischen Strafrechts resultiert. Hier wird abgewogen werden müssen, ob die Strafrechtsnorm speziell zur politischen Verfolgung geschaffen und genutzt wurde. Die Verfolgung muß grundsätzlich vom Staat ausgehen oder zumindest von ihm wissentlich geduldet werden. Ein Bürgerkrieg ist nicht von sich aus Indiz für politische Verfolgung, zum Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen ist das Asylrecht nicht ausgestaltet. Durch die umstrittene Neuregelung des Asylrechtes existieren umfangreiche verfassungsrechtliche Rechtfertigungen für Eingriffe in das Asylrecht. So enthält Absatz II einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt, nach dem derjenige, der aus einem Staat der Europäischen Union oder einem sogenannten "sicheren Drittstaat", in dem die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention sichergestellt sein muß, sich nicht auf das Asylrecht berufen kann. Dies wird durch den letzten Satz des Absatz II und durch Absatz IV flankiert, die einem aus einem sicheren Drittstaat Einreisenden den vorläufigen Rechtsschutz gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nehmen. Absatz III ermöglicht dem Gesetzgeber, sogenannte "sichere Heimatstaaten" zu benennen, bei denen vorbehaltlich eines begründeten gegenteiligen Vortrags durch den Betroffenen vom Fehlen politischer Verfolgung ausgegangen wird.

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Inwieweit die neuen Regelungen verfassungsmäßig sind, ist zweifelhaft. Zwar war das alte Asylrecht als solches nicht bestandsgeschützt, doch verstößt es gegen die Menschenwürde, wenn ein Asylbewerber abgeschoben wird, und ihm dann Folter droht. Das ist bei "sicheren Drittstaaten" zwar schon begrifflich unmöglich (allerhöchstens wäre die gesetzliche Benennung eines solchen Staates verfassungswidrig), wird aber bei den Staaten der Europäischen Union zu einem Problem, sofern diese Kettenabschiebungen praktizieren. Schwerer wiegt jedoch ein möglicher Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Gewaltenteilung. Zwar kann die Rechtswegegarantie des Art. 19 IV GG durch verfassungsändernde Gesetze eingeschränkt werden, ein Grundstandard an effektivem Rechtsschutz (nicht zwingend durch Gerichte, aber durch eine unabhängige Institution) muß jedoch gewährt bleiben. Daß diesen Prinzipien durch den letzten Satz des zweiten Absatzes und durch Absatz IV verletzt werden, scheint sehr wahrscheinlich zu sein, die Verfassungsmäßigkeit des neuen Asylrechts dürfte somit zu bezweifeln sein.

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Verwendete Literatur:

 
Bundeszentrale für pol. Bildung
Informationen zur politischen Bildung: Grundrechte, Bonn / München 1993
 
Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard
Grundrechte - Staatsrecht II, 10. Auflage, Heidelberg 1994


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